Lieber Johann,

viel zu lange habe ich dir nicht mehr geschrieben und das ist schade – denn jeder Tag mit dir ist mindestens einen Brief wert.

Wenn ich dich morgens anschaue, wie du Langschläfer aus deinem Zimmer kommst, frage ich mich wirklich, wo die Zeit hin ist. Wann bist du so groß geworden? Seit wann passt dir die Größe 116 nicht mehr? Und wie konnte es passieren, dass grade der vierte Backenzahn durchbricht und in deinem Mund grade eh ganz schön viel was los ist? Grade habe ich mich davon erholt, von dieser einen, schrecklichen Woche, als deine Zähnchen kamen, nun gehen sie schon wieder.

Du wirst immer mutiger und selbstständiger. Morgens bist du der letzte, der aufsteht und der erste, der im Hof steht und wartet, dass dich jemand zum Kindergarten bringt.

Am meisten liebst du deinen Cousin Moritz und auch wenn ihr euch so selten seht, ist der dein großer Held. Mir wird es warm ums Herz, wenn ich das sehe, habe ich zu meinen Cousins auch eine so enge Bindung – vielleicht liegt es am Einzelkind-Daseins. Sie sind für uns wie Geschwister, bei denen man sich aussuchen kann, mit ihnen Zeit zu verbringen.

Liebes Maulwürfchen, Ende des Sommers kommst du in die Schule! Das wird toll, sage ich dir. Stell dir vor, du kannst dann endlich die Bücher lesen, die wir dir nun vorlesen. Du kannst in all die spannenden Geschichten eintauchen, die dich so faszinieren und bist nicht darauf angewiesen, wie viel Lust oder Zeit wir haben, wenn wir vorlesen.

Und dann die Ferien! Was meinst du, wie viel Unsinn du mit deinen Freunden auf dem Land machen kannst. Du kannst glücklicherweise die Kindheit haben, wo man von morgens bis abends unterwegs bist ohne mit dem Auto dorthin zu fahren, wo nicht mehr Autos als Kinder sind.

Ich weiß, du bist aufgeregt wegen der Schule, aber das musst du nicht. Du bist ein toller Junge und ich bin sicher, du findest schnell Freunde. Ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass die Schulzeit für dich unvergesslich schön wird und du Spaß daran hast. Denn niemals lernt man besser, als wenn es einem Freude bereitet.

Aber nun hören wir mal auf darüber zu reden, wie etwas wird, sondern wie es gerade ist.

5 jähriger Junge, der am Rande eines fast zugefrorenen Sees steht. Er hat einen Stock in der Hand.

Dieses Bild ist am Scheuerteich entstanden, wo deine ganze Familie mütterlicherseits einen Großteil ihrer Zeit verbracht haben – und du liebst es genau so wie wir.

Du hast dich so geärgert, dass das Eis nicht dick genug war um in die Mitte des Sees zu gehen – und so haben wir Steinchen-Weitwurf auf dem Eis gemacht und du wolltest erst gehen, als deine Hände ganz blau waren und wir alle zu Eisklötzen eingefroren.

Das sind diese Tage, an die man für immer denkt. Die Tage, wo man in ein warmes zu Hause kommt und dankbar ist für Zeit, die man miteinander verbracht hat.

Mein kleiner, großer Junge. Du weißt nicht, wie sehr ich dich liebe und auch wenn ich es dir jeden Tag sage, habe ich nie das Gefühl, es dir irgendwie zu verdeutlichen können.

Du bist ein Teil von mir – und zwar der Wichtigste.

10000000 Küsschen von deiner Nanni*.

*So nennst du mich tatsächlich immer noch und schon, seit du zwei Jahre alt warst.

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