Lieber Johann,

ich habe dir schon so lange nicht mehr geschrieben, Schande über mein Haupt.

Irgendwie ist aber auch grade alles so aufregend. Du bist über Nacht so groß geworden, ja tatsächlich so groß, dass wir nun die selbe Schuhgröße tragen.

Obwohl ich natürlich will, dass Du Deinen eigenen Weg gehst (und glaub mir, das tust Du grade ganz wunderbar!), möchte ich grade die Zeit anhalten und einfrieren. Ich weiß, nun beginnt eine Reihe von „letzten“ Malen. Ich werde Dir irgendwann das letzte mal ein Abschiedsküsschen geben, bis Dir das zu unangenehm wird. Übernachtungsparties sind wahrscheinlich bald was für Kleinkinder und sowieso merke ich grade, dass du ein sehr selbstständiger junger Mann wirst.

Bitte versteh mich nicht falsch – ich bin so unfassbar stolz auf Dich, das kannst Du Dir gar nicht vorstellen und ist auch nicht in Worte zu fassen.
Aber ich dachte irgendwie immer, Du bleibst länger „klein“, mein „kleiner Junge“ eben. Aber nein, so ist das nicht. Mit Dir kann man nun über wichtige Dinge reden wie zum Beispiel Deine und meine Einstellung zum grade herrschenden Krieg, Du erklärst mir oft Dinge, die ich noch nicht mal wusste und in Zelda hast du mich über Längen überholt, ein richtiger kleiner Profi bist du geworden. Du spielst Schach und ich frage mich, ob ich mich mal trauen sollte, eine Runde gegen Dich zu spielen, ich befürchte aber eher, Du wirst mir haushoch überlegen sein.

Du weißt ganz genau, was Du willst, Du kannst Dich binnen Sekunden entscheiden, das ist eine Eigenschaft, die ich sehr bewundere – denn, guess what? – ich habe diese gar nicht. Du siehst hinter jedem Problem die Lösung, das hast du definitiv von Deinem Vater.

Ich mag es, dass Du jetzt mir öfters die Stirn bietest, ehrlich gesagt freue ich mich ein wenig darauf, wenn du mal richtig laut wirst und mir sagst, wie sehr ich Dich nerven kann. Denn glaub mir, das gehört dazu. Du hast eine Stimme und sollst diese benutzen. Du sollst immer sagen wie du empfindest, keine einzige Emotion ist umsonst und jede ist es wert, ausgesprochen zu werden.

Gestern sagtest du zu mir „Ich weiß, dass ich mir Dir reden kann, wenn ich etwas habe“ – und das tat wahnsinnig gut. Denn ja, Du kannst mit mir reden. Immer und über alles, wenn Du willst. Solange ich lebe werde ich Dir immer zuhören und mein Bestmögliches versuchen, Dir zu helfen, bei welchem Problem auch immer.

Und auch, wenn Du mir bald über den Kopf wachsen wirst, und das wirst Du, vor meinem geistigen Auge wirst du immer „mein Kleiner“ sein. Das Baby, was so lieb war, das Kleinkind, das nachts seine warmen, winzigen Händchen in meine Hand gelegt hat, der kleine Mensch, der seine ersten Schritte gemacht hat, als ich dabei war.
All das ist schon so lange her, aber glaube mir, ich kann mich an all diese Dinge so gut erinnern, als ob sie in meinen Kopf eingebrannt worden sind.

Ich liebe Dich so unfassbar – oder, wie wir sagen – immer zwei mal mehr als Du.

Bitte bleib so wunderbar, bitte begegne der Welt weiterhin mit Deiner tollen, umwerfend charmanten, liebevollen Art. Du bist der großartigste Mensch, den ich kenne.

1000000 Küsschen von deiner Mama.

P.S.: Ich werde das immer unter die Briefe schreiben, vor diesen Küsschen wirst du nicht weglaufen können ;)

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